Inkompetenzkompensationskompetenz


Die Idee, die der Entstehung des Textes zum Lied 'Inkompetenzkompensationskompetenz' zugrunde liegt, wird in den Konzert oft von Holm mehr oder weniger eingehend erläutert. Hier soll die Herkunft des begrifflichen Konstruktes zur Dokumentation niederlegt sein:

Im Original wird der Begriff der 'Inkompetenzkompensationskompetenz' auf den Philosophen Odo Marquard zurückgeführt, der ihn in einem Bezug zur Funktion der Philosophie in der Gegenwart verwendet hat (u. a. in: Odo Marquard: Abschied vom Prinzipiellen. Philosophische Studien. Stuttgart 1981. S. 23–38.). Hieraus entstammt auch die Idee, die der Begriff in seiner Überlänge repräsentiert; nämlich die Kompetenz (eines Subjektes), seine fehlende Kompetenz (also Inkompetenz) auszugleichen (d. h., zu kompensieren).

In Anlehnung an die Idee von Marquard lässt sich der Begriff von seiner philosphisch geprägten, ursprünglichen Verwendung auf handlungs- und gesellschaftstheoretische Bereiche übertragen. In der Dissertation von Andreas findet der Begriff in einem pädagogischen Zusammenhang Verwendung, insbesondere da der Begriff der 'Kompetenz' dort als allgegenwärtige Floskel Verwendung findet, ohne in seiner wahren Bedeutung abschließend geklärt worden zu sein; kurz: Man man unterhält sich über vorhandene oder zu fördernde Kompetenzen, ohne sich wirklich im Klaren darüber zu sein, was diese Kompetenzen an Einzelfähigkeiten überhaupt beinhalten (sollen oder müssen). In dem ominpräsenten Begriff der 'Kompetenz' kombiniert sich so auf konträre Weise (a) die Erkenntnis, dass wir in der Gegenwart immer weniger in der Lage sind, zukünftige Handlungsanforderungen detailliert vorherzusagen mit (b) dem Anspruch, 'Fit für die Zukunft' zu sein bzw. den Einzelnen optimal auf die Zukunft vorzubereiten. Doch irgendwie ist beim zweiten Blick augenfällig, dass beides zusammen zwar schön klingt, aber in der Logik nicht zwingend vereinbar ist. Insbesondere der gesellschaftliche (und zunehmend ökonomisch fundierte) Auftrag an Bildung (und die ihr zugeordneten Bereiche, Einrichtungen und Personen), der in den pädagogischen Professionen z. T. viel zu unkritisch zum Eigenanspruch erhoben wird, muss hier differenzierter diskutiert werden. Die Einführung neuer Bildungsziele, wie der der 'Kompetenz' reicht nicht aus, um den Ansprüchen der Zukunft wirklich gerecht zu werden - vor allem dann, wenn sich die Prozesse, Strukturen und Mechanismen hinter dem Begriff nicht geändert haben. Denn dann gilt nur 'Alter Wein in neuen Schläuchen'.

Insofern wäre es sinnvoll, die Erkenntnis der Unvorhersagebarkeit der Zukunft wirklich auch in pädagogischer (wie auch gesellschaftstheoretischer, psychologischer oder ökonomischer) Perspektive zu verinnerlichen. Und hierfür gilt, das Kompetenz genutzt werden sollte, zu beschreiben, auf was wir uns und die kommenden Generationen wirklich vorbereiten müssen: Auf potentielle Handlungs- und Wissenslücken und auf den Zustand, nicht in jeder Situation sofort handlungsfähig zu sein. Wir sollten uns von dem Ziel verabschieden, den perfekt handelnden Menschen zu schaffen, der jeder zukünftigen Situation ad hoc gewachsen sein muss. Das wäre ein logischer Schluss, wenn man schon bereit ist, anzuerkennen, dass die Zukunft eben nicht mehr klar vorhersagbar ist. Und wenn man diese Logik auf den Begriff der 'Kompetenz' herunterbricht, dann bedeutet dies, anzuerkennen, dass 'Kompetenz' ein Handlungsrepertoire beschreiben sollte, welches zukünftige Handlungsunfähigkeiten auszugleichen vermag. Also kann 'Kompetenz' in diesem Sinne immer nur 'Inkompetenzkompensationskompetenz' sein. Verstanden??

Im Übrigen könnte man die Unvorhersagbarkeit der Zukunft auch auf den Begriff des 'Chaos' zuspitzen, was auch im Text zum Lied 'Inkompetenzkompensationskomptenz' u. a. mit der Zeile 'Lass das Chaos zu, mein Kind' erfolgt. Zudem wird dieses 'Chaos' musikalisch in der zweiten Strophe durch tonlich dissonante und z. T. außerrhythmische Passagen quasi untermalt.

Trivia:

Der Bezug zum vorhergehenden Lied (Konzept auf der 68) wird durch eine versteckte mathematische Formel ausgedrückt:

hör*her=[7/4]

sieh*sieh=[7/4]

SQRT[wie]=[7/4]


7*1=7 (hör=7)

2*2=4 (sieh=2)

SQRT(16)=4 (wie=16)

hör*wie^sieh= 7*(16^2)=1792 (3 vergehn) -3 = 1789

Inkompetenzkompensationskompetenz

Vielleicht ist alles Ungeplante ungewollt und unerwartet,
und deshalb auch immer ein Problem…
Wenn alles nach dem Plan von gestern läuft, so dass das Heute gar nichts zählt,
würde gar nichts weitergehen.
So ist es vielleicht besser, dass es dieses Heute gibt,
so chaotisch, ungewollt und unbequem.
Was man kennt, kann man nicht kennenlernen, was man weiß, fliegt nicht zu den Sternen,
das Gestern wird wohl nie das Morgen säen,
sehn wir weiter, auf der Leiter,
jede Sprosse neu…
Lass das Chaos zu, mein Kind, weil wir sonst werden, was wir sind,
weil wir die Dinge, die wir wollen können, schon erfahren haben.
Lass das Chaos zu, mein Kind, dass wir morgen weiter sind und
nicht versehentlich die Zukunft mit der Vergangenheit erschlagen.
Laos, Sofa, Chaos so nah. Sakko Spakko lieber ohne, hör mal her ist 7 oder 4.
Sinntintin bin in verbindlich, gründlich kindlich, finde blind nichts, sieh mal sieh ist 7 oder 4.
Instantan adrett verquer eins ist her der Pulli leer, Wurzel wie ist 7 oder 4.
Hör*wie^sieh ergeben Leben haben, Gaben geben und bestehn bis drei davon vergeh'n.